Geboren am – so beginnen alle Lebensläufe. Die von bedeutenden Menschen und von den nicht ganz so bedeutenden. Von solchen, die Weltgeschichte machten und auch die der ungezählten Namenlosen, die von den Ereignissen überrollt und mitgeschleift wurden.
Meine Geschichte beginnt in Königsberg, am 16. Januar 1924. Eigentlich schon früher, nämlich mit meiner unbeabsichtigten Zeugung – „Da wird schon nix passieren, ich passe doch auf!“, lautete vermutlich die vage Versicherung meines Erzeugers. Glücklicherweise eine kapitale Fehleinschätzung, glücklich zumindest für mich.
Ich selbst habe, soweit mir bewusst ist, keine Weltgeschichte gemacht. Jedenfalls ist mir kein Ereignis von kosmopolitischer Wichtigkeit bekannt, welches sich unmittelbar aus meiner Existenz ableiten lässt. Aber vielleicht verhält es sich hier wie beim Schmetterlingseffekt, bei dem ein Flügelschlag theoretisch einen Orkan auslöst.
Was ist es also, was das Leben eines Menschen erwähnenswert macht? Diese Frage vermag ich nicht objektiv zu beantworten. Mir selbst erscheint es durchaus ans Wunderbare grenzend, was ein Mensch so alles er- und überlebt. In meinem Fall war es eine stattliche Anzahl von Zufällen, die bewirkt haben, dass mein Dasein bis zum heutigen Tage währt, während die Lebenswege so vieler, die mich begleiteten, vor der Zeit endeten. Dass mich zum Beispiel eine Serie tödlicher Fliegerbomben um einen Wimpernschlag verfehlte – gerade lange genug, dass ich zufällig hinter einer schützenden Hallenwand Deckung fand. Oder dass Menschen, die ich gerade noch mit der Waffe bekämpft hatte, nicht nur mein Leben verschonten, sondern auch meine Wunden verbanden und mich umsorgten. Wenn etliche lebensbedrohende Krankheiten und Unfälle für mich glimpflich ausgingen, dann kann es schon wie ein Wunder anmuten, dass ich so alt werden konnte. Durfte. Sollte?
Andere fallen vom Sofa und brechen sich den Hals – ich dagegen stürzte mit 90 Jahren eine Steintreppe hinunter, knickte mir in Serie etliche Rippen und erlitt schwere Kopfverletzungen. Ich überlebte und genas wieder vollständig, ohne bleibende Schäden. Manche nennen es Glück, für andere sind es lediglich statistische Aussetzer. Wieder andere halten alles im Leben für vorherbestimmt. Ich bin ein gläubiger Mensch und denke, da oben passt jemand auf mich auf: meine Oma Königsberg! In unserer Familie bekamen Verwandte zur besseren Unterscheidung oft den Städtenamen beigefügt. Oma Caroline, meine Großmutter mütterlicherseits, hatte das ihrem Jungchen schließlich einmal fest versprochen! Und so wird es wohl auch sein, denn auf meine Oma Lina konnte man sich verlassen!